Kugeln, Kuben, Kegel und grüne Spiralen

Wie gut getrimmte Soldaten stehen sie in Reih und Glied am Wegesrand, die „Formgehölze“ der Ammerländer Baumschulen. Am häufigsten sieht man geometrische Formen wie Kuben, Kugeln oder Kegel. Aber auch grüne Torbögen, stilisierte Hasen, Riesenäpfel und in den Himmel ragende Spiralen tauchen hier und da auf. Es sind echte Hingucker, diese gezähmten Naturburschen, denen kein individueller Spross gegönnt wird. Teetied besuchte Heinrich Beltz, der sich seit langem den Formgehölzen gewidmet hat.

Sie stehen zu hunderten auf den Arealen der Baumschulen, in kleineren Gruppen oder als einzelne Exemplare in vielen Vorgärten oder auch als stolze Wahrzeichen dieser berühmten Baumschulregion auf öffentlichen Plätzen. Bei einer Fahrt durch das Ammerland entgeht niemandem, dass hier viele von Deutschlands wichtigsten Baumschulen angesiedelt sind und dass „Formgehölz“ hier eine Spezialität ist.

Es erscheint wie ein Paradox: Die individuelle Vielfalt der Natur ist hier in kunstvolle Formen gebracht. Immer wieder betrachten wir die geformten Bäume mit wechselnden Gefühlen, mal sehen wir schöne Gartenkunst dann eher einen starken Eingriff am natürlichen Wachstum des Gewächs. Faszinierend ist es in jedem Fall! Und diese Faszination beflügelt uns dazu, den Formgehölzen auf den Grund gehen zu wollen. Was hat es eigentlich mit dieser besonderen gärtnerischen Gestaltung auf sich?

Bei unserer Recherche erfahren wir so einige interessante Fakten. Zum Beispiel, dass der Formschnitt eine jahrtausende alte gärtnerische Kunst ist und auch als Topari bezeichnet wird. In ägyptischen Grabmalereien, persischen Miniaturen und römischen Fresken gibt es Beispiele von geformten Pflanzen, die zeigen, dass der Formschnitt seit der Antike ausgeübt wird. Jede geschichtliche Epoche hatte ihre eigene Ausprägung, aber eine besondere Blüte erlebten Formgehölzer während der Renaissance. In ganz Europa entstanden zu dieser Zeit Gärten – häufig einem Schloss oder Landsitz zugeordnet-, die Formgehölze als Strukturelemente einsetzten. Einige dieser Gärten sind bis heute erhalten geblieben.

Was bewegt aber die Menschen, die diese Bäume über lange Zeit begleiten und ihnen ihre Form geben? Teetied bekommt die Möglichkeit, einen Vollblutgärtner mit Vorliebe für Formgehölz zu treffen:

Heinrich Beltz ist nicht nur Liebhaber von Formgehölzen, er ist ein ausgewiesener Experte und Autor mehrerer Fachpublikationen. Er empfängt uns in seinem Büro in der Lehr-und Versuchsanstalt für Gartenbau in Bad Zwischenahn und natürlich haben wir einige Fragen dabei.

Wie bist du zu den Formgehölzen gekommen?
Ich hab nach dem Studium 1989 ein Praktikum in den USA gemacht. Da war das schon in Mode und dort hab ich die ersten Formgehölze gesehen, die mich so richtig begeistert haben. Dann bin ich ins Ammerland gekommen und hier gab es auch schon einige Formgehölze. Seit dem habe ich das verfolgt.

Und was fasziniert dich daran?
Das Spannende für mich ist die Pflanze so gut zu kennen, dass ich im Einklang mit der Pflanze eine Form gestalten kann. Es begeistert mich, eine Kombination meiner Pflanzen- und Kulturkenntnisse einzusetzen und zu sehen, was aus einer Pflanze werden kann. Es geht natürlich auch darum, schöne Formen zu gestalten und die auch in einen Zusammenhang zu setzen.

Welche Formen bevorzugst du?
Eine Lieblingsform habe ich eigentlich nicht. Man kann natürlich sehr schöne Figuren formen, die sehr mühsam zu formen sind… Aber eine einfache runde Kugel kann im bestimmten Umfeld auch wunderschön aussehen. Dann gibt es ja die speziellen Formen, die aus der japanischen Gartenkultur kommen, wenn die im richtigen Zusammenhang stehen, finde ich das auch wunderschön. Also auf eine Form bin ich nicht festgelegt. Am allerliebsten ist mir aber eigentlich das Formobst. Beim Formobst erreicht man natürlich ganz andere Formen als beim klassischen Buchsbaum.

Wie lange begleitest du einen solchen geformten Baum?
Ich hab selbst Anfang der 1990-Jahre mit Formschnitt angefangen, hier, aber hauptsächlich in meinem privaten Garten. Das heißt also, dass ich die ältesten Bäume seit 26 Jahren begleite. Zunächst dauert das ja einige Jahre bis die Form einigermaßen ordentlich aussieht. Man unterscheidet zwischen Aufbauschnitt, bei dem ich die Form gestalte und dem Erhaltungsschnitt, mit dem man natürlich nicht aufhören kann, wenn man die Form behalten möchte. Das wird dann ganz klar eine lebenslange Beziehung, einige Bäume werden ja bis zu 100 Jahre alt.

Du hast zu dem Thema einige Bücher geschrieben, siehst du dich als Formgehölzmissionar?
Nein, auf keinen Fall. Ich hab Freude an Formgehölzen und die möchte ich anderen Menschen vermitteln, ihnen auch dabei helfen. Aber ich hab gar kein Problem damit, wenn jemand sagt, das ist nicht mein Ding. Den werde ich nicht bereden und missionieren. Also Unterstützer ja, aber Missionar auf keinen Fall.

Wieviel hast du denn beruflich mit Formgehölzen zu tun?
Ich bin Versuchsleiter für den Bereich Baumschule an der Lehr- und Versuchsanstalt Bad Zwischenahn der Landwirtschaftskammer Niedersachsen und das hat mit Formgehölz sehr wenig zu tun. Wir versuchen hier Fragen der Baumschulprofis zu beantworten. Da geht es vor allem um Düngung und Pflanzenschutz und da spielen die Formgehölze keine große Rolle.
Aber wir haben doch eben hier auf eurem Gelände welche gesehen…
Ja, ein paar haben wir, da hatten wir mal ein bisschen Zeit… Aber natürlich soll ich hier nicht meinen Hobbies frönen. Und die Formgehölze sind zwar eine durchaus wichtige Baumschulkultur aber keine maßgebende, eher ein kleiner Nischenartikel.

Was sagst du denn zu der Kritik, die man manchmal hört, dass Formschnitt den Pflanzen Gewalt antut?
Das tut mir etwas weh… Wenn man einer Pflanze Gewalt antut, dann zeigt sie das dadurch, dass sie leidet oder stirbt. Ein gutes Formgehölz kann Jahrzehnte, sogar Jahrhunderte leben und das ist für mich ein Zeichen, dass die Pflanze nicht leidet, sondern dass es ihr dabei sehr gut geht. Ein fachgerechter Formschnitt ist also kein Zwang sondern eine Formung. Das ist keine Quälerei der Pflanze, sonst würde ich das auch gar nicht machen!

Hier bei dir vor der Tür sieht man ein ungewöhnliches Formgehölz.
Ja, als wir mal Zeit hatten, haben wir hier in der Versuchsanstalt zwei verschiedene Arten von Bastardzypressen ineinander gedreht – eine blaugraue und eine gelbe – die sich umeinander winden wie ein Liebespaar…
Diese Art der Doppelspirale ist eine ziemlich außergewöhnliche Form, zu der mich natürlich andere Beispiele inspiriert haben, aber genauso habe ich das noch nirgends gesehen.

Wie sieht dein Traumgarten aus?
Mein Traumgarten, das ist eine Kombination aus Obstgarten mit Formobst, Gemüsegarten und Ziergehölzen, auch mit Formgehölzen. Ich hab in meinem eigenen Garten zum Beispiel eine Hand aus einer Eibe, da hab ich mich von dem Film „Edward mit den Scherenhänden“ inspirieren lassen. Aber es gibt so viele Möglichkeiten… In meinen Traumgarten gehört auf jeden Fall was zum Essen, Gemüse, was zum Sehen, auch Blumen, also eine Kombination aus allem.

Was würdest du Besuchern in der Region empfehlen, die besonderes Interesse für Formgehölz haben?
Auf jeden Fall den Park der Gärten, da gibt es sehr unterschiedliche Gärten mit Formgehölzen. Es gibt aber auch einige Straßenabschnitte hier rund um Bad Zwischenahn, da kann man an Baumschulquartieren mit wunderschönen Formgehölzen vorbeifahren oder radeln und sich inspirieren lassen.

Der Park der Gärten, der sich in direkter Nachbarschaft von Heinrich Beltz Arbeitsstelle befindet, ist eines der touristischer Highlights der Region: Hier erwarten den Besucher nicht nur verschiedenste Gartenanlagen, sondern auch ein interessantes Veranstaltungsprogramm, Gastronomie und Pflanzenverkauf ( https://park-der-gaerten.de/ )
Ein Geheimtipp ist der Schaugarten der Baumschule von Ehren. Der weitläufige Park, als Landschaftsgarten angelegt, bietet flächig geschnittenen Buchsbaum, Azaleen und Kiefern, bizarre asiatische Formen und Buchsbaum-Kugel-Arrangements unterschiedlicher Größe. Zahlreiche exquisite Formpflanzen, etwa 100 verschiedenen Sorten, bilden durch ihre Größe, Seltenheit und Wuchsformen sowie in ihrem Wechselspiel untereinander eine besondere Attraktion innerhalb dieser Komposition aus immergrünen Gehölzen. Der Garten ist ganzjährig und kostenlos für Besucher geöffnet ( https://www.ammerland-touristik.de/DE/?we_objectID=63829 )
Während des Gesprächs mit Herrn Beltz ist uns übrigens klar geworden, dass wir selbst zu den Formschneidern gehören: Zwei Mal im Jahr schneiden wir nämlich die Hecke um unser Haus!

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