Alte Fischernetze, sogenannte Geisternetze, stellen eine große Bedrohung für die Tier- und Pflanzenwelt in den Weltmeeren dar – auch bei uns in der Nordsee. Laut der internationalen Hilfsorganisation „Ghost Diving“ landen jedes Jahr 640.000 Tonnen alte Netze und Müll von den Fangschiffen in den Meeren. Sie wurden durch Unwetter von den Schiffen abgerissen oder vergessen und verhaken sich dann oftmals an Schiffswracks unter Wasser. Tiere können sich in den Netzen verfangen oder den Müll als Nahrung aufnehmen und dann daran verenden. Zudem zersetzt sich der Plastikmüll nur sehr langsam. Über die Meerestiere können die Mikroteilchen später auch in die Nahrungskette der Menschen gelangen. Das Reisemagazin Teetied durfte einen Tag hautnah dabei sein, wie das Team Ghost-Diving Germany sich auf eine gefährliche Tauchmission in der Nordsee begab, um diese Geisternetze zu bergen. Ein echtes Abenteuer mit ernstem Hintergrund, bei dem sich dem ein oder anderen Passagier an Bord aufgrund des hohen Seegangs auch fast der Magen drehte.
Auf wichtiger Mission
Es ist ein trüber, grauer Mittwochvormittag, als wir im Hafen von Neuharlingersiel auf die achtköpfige Tauchergruppe treffen. Auch viele Pressevertreter sind gekommen, um die Öffentlichkeit über diese vorbildliche Aktion zu informieren. Die Vorbereitungen am Hafen sind bereits in vollem Gange. Dirk Remmers von Ghost Diving Germany klärt uns über die Hintergründe auf. Die internationale Charity-Organisation „Ghost Diving“ mit ehrenamtlichen Tauchern setzt mit der Bergung der Geisternetze ein Zeichen und macht mit ihren Aktionen auf die Müllproblematik in den Meeren aufmerksam.
Während in anderen, wärmeren Gewässern aufgrund der besseren Tauchbedingungen schon länger Geisternetze geborgen werden, ist die insgesamt einwöchige Aktion an der ostfriesischen Nordseeküste die erste dieser Art. Die Nordsee ist ein äußerst anspruchsvolles Tauchgebiet. Durch die Strömungen und die Gezeiten gibt es täglich nur ein Zeitfenster von ca. einer Stunde, in dem die Tauchgänge nach den verlorenen Netzen möglich sind. Hinzu kommt noch die überaus trübe Sicht. Zum Teil beträgt die Sichtweite nur knapp einen halben Meter! Wirklich mutig, wer dennoch in die dunkle, tiefe See hinab taucht. Heute, so erklärt Dirk Remmers, liefert das Wetter für Nordsee-Verhältnisse gute Bedingungen zum Tauchen. Auch wenn die Tauchgänge gefährlich und herausfordernd sind: Anspannung bei der Tauchcrew ist nicht zu spüren. Alle sind bis in die Haarspitzen motiviert und brennen nur darauf, endlich loslegen zu können.
Die Suche nach den Schiffswracks
Anhand von alten Seekarten lassen sich die Wrackpositionen ablesen. Hier sind dann vermutlich auch die Fischernetze zu finden, weil sie sich darin verfangen haben. So ganz genau können die Fundorte aber im Vorfeld nicht vorhergesagt werden. So haben die Taucher am ersten Tag der Aktion an einer Stelle anstatt eines Wracks nur einen Sandhügel vorgefunden. Dennoch war auch dieser Tag ein kleiner Erfolg, denn sie entdeckten ein Seepferdchen. Diese kommen in der Nordsee nur sehr selten vor.
Es geht an Bord
Dann werden auch schon die letzten Absprachen zum bevorstehenden Tauchvorgang getroffen und es geht los. Die Taucher selbst fahren mit einem Schnellboot raus aufs Meer. Alle anderen gehen an Bord des Museumskutters Gebrüder AZ:5. Dieses ehrenamtlich betriebene Kutterschiff ist ein wahres Schmuckstück.
Tipp: Die freundlichen Herren von dem Museumskutter bieten während der Saison auch Ausflugsfahrten ab Carolinensiel auf der Nordsee an. Mehr Infos hier.
Vor der Insel Spiekeroog war die Nordsee zunächst noch sehr ruhig. Das Team von „Ghost Diving Germany“ hatte aber bereits gewarnt. Und ein bisschen mulmig war uns schon zumute, was noch kommen würde. Vorbei an Spiekeroog zeigte sich die Sonne inzwischen von ihrer besten Seite, aber der Seegang wurde immer stärker. Später an der Tauchposition angekommen, war es dann so richtig schaukelig und so manchem wurde dann doch noch etwas grün um die Nase.
An der Fundstelle lassen die Taucher dann Bojen als Orientierung ins Wasser. Die genaue Position unter Wasser haben sie zunächst mit einem Echolot ausgemacht. Und dann springen auch schon die ersten Taucher rücklings ins Wasser. Es dauert dann fast eine Dreiviertelstunde bis ein erster Beutel mit Netzen an die Oberfläche kommt und es folgen weitere, die mal größere und mal kleinere Stücke von alten Fischernetzen enthalten. An diesem Tag beträgt die Sichtweite unter Wasser anderthalb Meter, bei ansonsten aber guten Bedingungen, berichten uns die Taucher später.
Jedes Kilo ist ein Glücksfall
Nach circa 1,5 Stunden waren die Rahmenbedingungen für die Tauchgänge aufgrund der Gezeiten wieder vorbei. Es geht zurück in den Hafen von Neuharlingersiel – mit an Bord rund 50 Kilo Geisternetze, die nun keine Gefahr mehr für die schützenswerte Unterwasserwelt darstellen. Insgesamt kamen in der Projektwoche über 500 Kilo Netze zusammen. Für das Taucher-Team ist jedes Stück altes Fischernetz, jedes Kilo, das sie aus dem Meer bergen ein Erfolg. Aber auch wenn dies heute ein erfolgreicher Tag war, so befinden sich immer noch unzählige weitere Netze an dem Wrack, erklären uns die Taucher.
Fischernetze werden recycelt
Nach der Tauchaktion werden die Geisternetze im Hafen von Harlesiel zum Trocknen ausgelegt. Später gehen sie an eine Recycling-Firma, die daraus unter anderem Socken herstellt. Diese kann man dann später auch in Carolinensiel kaufen. Das Gute daran: Durch den Verkauf der Socken können weitere Tauchgänge zur Säuberung der Meere realisiert werden.
Sowohl die Projekt-Organisatoren als auch wir von der Teetied Redaktion waren uns einig: Das war eine wichtige und erfolgreiche Aktion, die zukünftig wiederholt werden sollte!
Hand in Hand
Wer übrigens denkt, dass große Konflikte zwischen dem Ghost Diving Team und den kleinen Fischereibetrieben existieren, liegt falsch. Vielmehr gibt es Kooperationen zwischen diesen Interessensgruppen, da sie gemeinsam an einem intakten Ökosystem Meer interessiert sind. Den Nordsee-Fischern ist nicht daran gelegen, ihre Netze im Meer zu verlieren und dennoch bleibt es bei so manchem Sturm leider nicht aus. Deshalb wird hier Hand in Hand gearbeitet, indem das Ghost Diving Team über verloren gegangene Fischereiausrüstung informiert wird.
Zu den Hintergründen
Initiiert wurde das einwöchige Projekt „Ostfriesland“ von „bessergrün“ (nachhaltiger Marktplatz für Versicherungen, Energiedienstleistungen, Carsharing) sowie von der „tauch.versicherung“. Als touristischer Partner unterstützte das Nordseeheilbad Carolinensiel-Harlesiel diese Aktion. Das Reisemagazin Teetied begleitete die Aktion im Rahmen des INTERREG V A Projektes Watten-Agenda 2.0.
Du möchtest auch einen Beitrag zum Umweltschutz leisten?
Dann schaue doch gerne hier, wie du deinen Urlaub in Ostfriesland besonders umweltfreundlich gestalten kannst.
Außerdem bietet die Ostfriesland Tourismus GmbH eine passende kostenfreie Spiele-App zu dem Thema an. Bei den „Watten Games“ kannst du spielerisch Müll aus dem Meer fangen und noch mehr über den Schutz des Meeres erfahren. Viel Spaß!
Faszination Wattenmeer
Alle Informationen, wie man den Naturraum Wattenmeer erleben kann, wurde hier für Euch zusammengestellt.