Anlässlich der Aufstellung der alten Sieltore an der Schule in Greetsiel möchten wir uns heute mit dem Sinn und Zweck von Sielen und Schöpfwerken beschäftigen.
Dafür reisen wir einmal ungefähr 1000 Jahre zurück, denn zu dieser Zeit begann man mit dem Deichbau an der deutschen Nordseeküste, um sich vor Hochwasser zu schützen. Das Problem dabei war, dass mit dem Deich zwar das Nordseewasser ausgesperrt wurde – das Binnenwasser jedoch auch eingesperrt wurde und nun nicht mehr in die Nordsee ablaufen konnte.
Daher wurden „Sieltore“ in den Deich gebaut, Holztore, die sich bei Ebbe automatisch durch den Wasserdruck der Binnengewässer öffneten. Umgekehrt schlossen sich diese Tore wieder, wenn das Nordseewasser bei Flut die Tore zudrückte. Eine geniale Idee – wie wir finden. So nutzte man schon früher die Kraft des Wasserdrucks zur Entwässerung des Binnenlandes.
Im 15. Jahrhundert wurden diverse Siele u.a. in Wirdum, Eilsum und Greetsiel gebaut. Das Greetsieler Siel wurde 1665 durch eine Sturmflut zerstört. Einige Jahre später begann man mit dem Bau eines neuen Siels in Greetsiel. 1798 – 1801 wurde das Holzsieltor im Ortskern von Greetsiel ersetzt durch ein massives gemauertes Gewölbesiel.
Die Steine für dieses Siel nahm man von der alten Greetsieler Burg (ja tatsächlich gab es schon Nachhaltigkeit im 18 Jahrhundert! Da wurde nichts entsorgt, was man noch verwenden konnte, auch wenn dafür alte Burgen ihr Dasein aufgeben mussten!). Verziert wurde das neue Siel durch ein sagenträchtiges Wappen von dem gekrönten preußischen Adler, denn der „alte Fritz“ – Friedrich der Große – wirkte und herrschte von Sanssouci aus in ganz Preußen. Dieses Sieltor funktionierte noch bis 1950, danach war durch die Verschlickung des Hafens keine Funktion mehr gegeben. Schön aussehen tut es jedoch heute noch und gehört mit der historischen Häuserzeile aus dem 17 Jahrhundert, dem Hafen und den Zwillingsmühlen zu den Wahrzeichen von Greetsiel!
Das neue Greetsieler Sieltor neben dem Schöpfwerk wurde notwendig, als das Alte immer mehr verlandete und ging 1891 in Betrieb, doch auch dieses Siel verschlickte so stark, dass es schon 66 Jahre später wieder aufgegeben wurde.
Die Siele konnten von beiden Seiten nur durch eine große Fließgeschwindigkeit offengehalten werden, was durch die natürliche Verlandung zu einem immer größer werdenden Problem wurde. So ist der Wunsch nach einem Schöpfwerk in Greetsiel schon vor dem zweiten Weltkrieg immer lauter geworden.
Nach dem zweiten Weltkrieg war der Bedarf nach mehr Ackerland groß, die Lage der Entwässerung allerdings eher schlecht. Ein Schöpfwerk musste her und der Entwurf 1949 fertig. Man fand in Gustavburg bei MAN 3 Hochspannungsmotoren aus nicht ausgelieferten Kriegsaufträgen und man zahlte 50.000 Reichsmark an. Dann kamen die Währungsreform und Beihilfen wurden vergeblich beantragt. Doch auch damals passierten mysteriöse Dinge und 1954 flossen plötzlich die benötigten Mittel für das Schöpfwerk aus bis heute unerklärte Quelle.
Heute bauen wir 15 Jahre und länger an Flughäfen und Bahnhöfen – das Greetsieler Schöpfwerk wurde nach nur 2 Jahren Bauzeit 1957 fertiggestellt. Die Rohre für das Schöpfwerk wurden in bergbauweise durch den Deich gepresst. Das Gebäude steht auf fast 60 Betonpfählen, die bis zu 16 Meter gebohrt wurden.
Die eingebauten 3 Pumpen von MAN (Maschinenfabrik Augsburg Nürnberg) haben eine Förderleistung von 3 x 200 KW von je 4500 Litern pro Sekunde pro Pumpe. Gesamt also 13.500 Liter – das sind rund 90 Badewannen pro Sekunde.
Die Baukosten lagen schon damals bei ca. 2 Millionen DM, die erweiterten Baukosten mit Haupt- und Vorfluter mit Umbau und Neubau der Brücken betrug 3 Millionen DM.
Die junge Bevölkerung staunt, denn umgerechnet 1 – 1,5 Mio Euro wurden vor einigen Jahren mal eben von der rheinland-pfälzischen Landesregierung für die Rechtsberatung des damals insolventen Nürburgrings ausgegeben. Somit war das Schöpfwerk aus heutiger Sicht gesehen ein Schnäppchen!
Am 18. August wurden die alten Sieltore beim Schöpfwerk aufgestellt und öffentlich eingeweiht. Hier kann man sich ein Bild von den imposanten Sieltoren machen – ein Foto lohnt sich immer! Zukünftig wird es regelmäßige Führungen durch und um das Schöpfwerk geben.
Eine weitere Infotafel des Entwässerungsverbandes ergänzt nun die übrigen Infotafeln der Gemeinde Krummhörn!
Schwardt-CHristen says:
Mein Vater war der erste Schöpfwerkmeister und ich habe mit meinen Eltern in dem dazugehörigen Haus gewohnt.