Zwischen Teeplantagen und Teetied – Ein Tag an der Seite von Teebauer Focke Janssen

Der Teeanbau hat in Ostfriesland eine lange Tradition und geht bereits bis ins 17. Jahrhundert zurück. Von den Anfängen in den Küstengebieten Ostfrieslands hat er sich später immer weiter ins Landesinnere verbreitet. Die Teeplantagen in Ostfriesland sind relativ klein und werden von Familienbetrieben bewirtschaftet. Die meisten dieser Betriebe sind seit Generationen in Familienbesitz und haben sich auf den Anbau und die Verarbeitung von Schwarztee spezialisiert.

Focke Janssen ist Teebauer in der 5. Generation in Ostfriesland

Wir haben den ostfriesischen Teebauern Focke Janssen – seines Zeichens Teebauer in der 5. Generation – auf seiner 30 Hektar großen Teeplantage besucht und konnten ihm und seiner Frau Wübbine für einen Tag über die Schulter schauen.

Focke und Wübbine erwarten uns bei unserer Ankunft auf dem Hof. Mit einem typisch ostfriesischen „Moin! All up Stee?“ werden wir freundlich begrüßt. Und dann dürfen wir auch schon Platz nehmen auf dem Treckergespann. Wir schunkeln gemächlich durch die ostfriesische Tiefebene bis wir sie dann erblicken: die unendlich weiten Teeplantagen der Familie Janssen.

Der Teeanbauprozess in Ostfriesland beginnt im Frühjahr mit der Aussaat bzw. dem Pflanzen der jungen Setzlinge. Focke erklärt uns, dass die meisten Sträucher im April zu blühen beginnen und nach ungefähr sechs Jahren bereit sind für die erste Ernte, die normalerweise in den Sommermonaten stattfindet. Die Blätter werden mit großer Sorgfalt von Hand gepflückt und anschließend zur Verarbeitung in die große Trockenhalle gebracht. Viele in Ostfriesland ansässige Teebauern haben sich zu einer Gesellschaft zusammengeschlossen und trocknen ihre Teeblätter gemeinschaftlich in riesigen Hallen. Auch in den Trockenhallen von Focke und Wübbine herrscht ein reger Betrieb.

Blick über die Teeplantage von Focke und Wübbine Janssen

Sobald man eines der riesigen Gebäude betritt, umfängt einen der typisch herbe und würzige Geruch der gepflückten Blätter. An der linken und rechten Wand der schlauchförmigen Halle laufen Förderbänder durch Maschinen, die die Feuchtigkeit in den gepflückten Blättern durch heiße Luft entziehen. Die Produktionshalle ist wie eine Schleuse angelegt. Focke führt uns von einer Station zur nächsten. Nach dem Trocknen der Blätter werden sie fermentiert und sortiert. Schließlich werden verschiedene Teesorten nach ganz besonderem (und geheimen) Rezept von Focke vermischt. Nur die Komposition aus vielen Sorten gewährleistet eine gleichbleibende Qualität und auf diese Weise werden geringfügige Qualitätsschwankungen der Tee-Partien ausgeglichen. Das Ergebnis dieses sorgfältigen Prozesses ist ein wahres Kulturgut: der Echte Ostfriesentee.

Obwohl Focke die maschinelle Trocknung durchaus zu schätzen weiß, zeigt er uns hinter seiner Halle eine Art übergroße Terrasse. Hier stehen lange Bahnen von Gestellen, auf denen im Sommer Hanfflechten ausgebreitet werden. Auf diesen trocknet Focke über mehrere warme Tage in den Sommermonaten einen Teil seiner Ernte noch auf ganz traditionelle Weise. Das meiste davon geht jedoch nicht in den Verkauf. Er behält es für die Familie oder verschenkt es an Freunde.

Nach unserem Hofrundgang werden wir von Focke und Wübbine zu einer echten Teetied in ihrer guten Stube eingeladen. Viele Teeliebhaber wissen, dass sich der Ostfriesentee durch seinen kräftigen Geschmack und seine dunkle Farbe auszeichnet. Er wird mit Kluntje (Kandis) und Sahne bereitet und in den typischen Porzellantassen mit der Ostfriesischen Rose serviert. Die ostfriesische Teekultur wurde 2016 übrigens von der UNESCO als immaterielles Kulturerbe anerkannt. Nach Tradition kommt in jede Tasse ein Kluntje, dann gießt man den heißen Tee ein. Das Knistern beim Eingießen bedeutet, dass der Tee auch heiß genug ist.  Im Anschluss daran wird die Sahne mit einer winzigen Kelle am Innenrand der Tasse aufgetragen. Auf diese Weise entsteht die Sahnewolke – die berühmte Wulkje. Umgerührt wird übrigens nicht. Man schlürft sich quasi durch die verschiedenen Schichten: erst die Sahne, dann der bittere Tee und schließlich der zuckersüße Kandis.  

Das sieht toll aus! Focke und Wübbine haben aufgefahren und laden uns zu einer waschechten Teezeremonie ein.

Wir möchten wissen, warum diese spezielle Teesorte gerade in Ostfriesland so wunderbar gedeiht, schließlich wachsen Teepflanzen doch sonst in Ländern in viel milderen Klimazonen wie z.B. in Indien. Focke erklärt uns, dass es zum einen an dem in Ostfriesland verbreiteten Marschboden liegt. Der Marschboden in Ostfriesland entstand durch das regelmäßige Überschwemmen von Flüssen und Gezeiten in Küstengebieten, was dazu führte, dass Schlick, Ton, Sand und andere Sedimente abgelagert wurden. Diese Sedimente bildeten im Laufe der Zeit einen Boden, der reich an organischen Stoffen ist und eine hohe Wasserspeicherkapazität aufweist. Der hohe Nährstoffgehalt des Marschbodens macht die ostfriesischen Teepflanzen besonders widerstandsfähig und ist zeitgleich verantwortlich für den kräftigen Geschmack und das besondere Aroma.

Zudem bedienen sich unsere heimischen Teepflanzen an der klaren, salzigen Meeresluft. Die Luft vom Meer enthält eine hohe Konzentration an Mineralien und hat durch ihre Zusammensetzung und Feuchtigkeit oft einen kühlenden, erfrischenden Effekt auf Menschen, Tiere und Pflanzen. Die frische Brise ist für das Wachstum von Fockes Teepflanzen sehr wichtig: „De Wind mutt dat erstmal en paar Johr düchtig dörpusten, dann hest du dat besünners Aroma“, weiht uns Focke in eines seiner Geheimnisse ein. Noch etwas unterscheidet die ostfriesischen Teesorten von z. B. Darjeeling aus Indien. Im Allgemeinen werden Teesträucher in der Regel mehrmals im Jahr geerntet. Beim indischen Darjeeling gilt der „First Flush“, also die erste Ernte von Teeblättern innerhalb eines Jahres, oft als die hochwertigste, da die Blätter tendenziell zarter und aromatischer sind. „De Achterst“, wie Focke die letzte Jahresernte bezeichnet, wird stattdessen in Ostfriesland besonders geschätzt.

Focke und seine Frau Wübbine sind beide um die 60 Jahre. Der „Junior“ soll das Geschäft in einigen Jahren gänzlich übernehmen. Focke möchte sich dann nur noch hobbymäßig seinen geliebten Teepflanzen widmen und mit Böden, Trocknungsmethoden und Sorten experimentieren. Wir sind gespannt, welche besonderen Teemischungen wir von Focke dann in ein paar Jahren erwarten dürfen.

Hinweis: Es handelt sich hierbei um eine Sonderveröffentlichung des Reisemagazins Teetied am 1. April.

  1. Margot S. says:

    Jetzt wohnen wir schon fast 7 Jahre in Ostfriesland. Aber die Teeplantage von Focke und Wübbine Janssen haben wir noch nicht entdeckt.
    Da müssen wir beim nächsten Ausflug mal ganz genau Ausschau halten.
    Danke für den sehr interessanten Bericht 😉 😉
    Margot S.

  2. Almuth says:

    Völen Dank för disse heel interessante Biedrag över de Teebuur un sien Fru. De Bericht hett mi leep tofallen un ik will dor mol hen un mi dat ganse Waark ankieken. Viellicht krieg‘ ik dat bit to’t nächste 1.April jo hen… Munter! Almuth

  3. Moin Ihr friesischen Ossis,
    das war doch endlich mal die reine Warheit, informativ und ausführlich, genau richtig für so“n Regenwochenende – dafür erstmal herzlichen Dank.
    Jetzt wird mir auch klar, warum Herr Jansen in Carolinensiel am Hafen sich nachts mit den geheimen Mischverhältnissen für besondere Tees beschäftigt:
    Er forscht für den Familienkonzern.
    Er betreibt ja das weltweit einzige Forschungsinstitut für die geheimen, echten Ostfriesen Tee Mischungen und das neben der normalen Verkaufsarbeit.
    Hoffentlich bekommt er bald den Förderantrag beim Fraunhofer Institut bewilligt, damit er tags forschen und nachts wieder schlagen kann.
    Habt alle einen schönen Start in den April und reserviert mir bitte schon jetzt einen Platz für die nächste Teeplantagenführung in der Woche nach Ostern.
    Noch eine Frage:
    Wird das geheime Teemischen wirklich ins Ostfriesenabitur übernommen, oder war das nur ein Gerücht?

  4. A. Noack says:

    Danke für die Info, nur leider weist Ihr nicht auf die Reisfelder unter Kokospalmen hin 😜😟🤣😉

  5. Susanne Hanel says:

    Moin,
    Kann man die Teeplantage von Fokke Janssen besichtigen? Ich kann nirgendwo Informationen dazu oder eine Adresse finden.
    Gruß Susanne Hanel

  6. Günther Gerhard says:

    Schade nur, dass die Plantage nur an einem Tag im Jahr und nur für Leichtgläubige zu besuchen ist. Für den Rest des Jahres liegt wohl die Tarnkappe der Nibelungen über dem Gebiet.
    Der Ostfriesentee (der Echte) ist aber eine wahre Wohltat für Körper und Seele!
    Günther aus Weimar

  7. Michael Lohrer says:

    Moin, Ihr Lieben, das ist ja wirklich ein lang gehütetes Geheimnis unserer ostfriesischen Identität. Den Touristen und Kunden erzählt man etwas von Assam und sonstigen Mischungen, was sie ja auch gerne glauben wollen. Wir kennen die Wahrheit. Ob es so klug ist, dass der Öffentlichkeit zu verraten? Danke für diesen so schönen und wahrheitsgetreuen Bericht. Vielleicht gibt es da auch bald eine Fernsehdokumentation drüber. Moin, man sieht sich hinterm Deich.

  8. Karlheinz Posner says:

    Moin, vielen Dank für diesen überaus interessanten Bericht. Zwei Anmerkungen hätte ich doch – zum einen weiß ich jetzt, warum der ostfriesische Tee nicht allein der ideale Begleiter süßer Leckereien ist, sondern auch würzige Knabbereien nicht nur duldet, sondern auch geradezu nach ihnen verlangt; zum anderen wäre es gut zu wissen, ob die o.g. Hanfflechten der besonderen Fockeschen Mischung Bedeutung im Hinblick auf eine Freigabe jenes speziellen Hanfs haben oder ein Produkt gar schon verkostet wird. Weiter so!

  9. Heute bekam ich ein Dankeschön dafür dass ich ja so tolle Informationen über den Teeanbau in Ostfriesland verbreitet hätte…… 😂🤣 Das Gelächter meinerseits stiess erstmal auf Unverständnis….. Schööön.
    Also ganz herzlichen Dank für die tolle „Berichterstattung“ und beste Grüße an Focke Janssen.

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