Er erkundet, beobachtet, schützt, erklärt und bettelt professionell um Spendengelder: Für Uilke van der Meer geht es darum den Lebensraum des Wattenmeers so optimal wie möglich zu schützen und den Menschen die Schätze der Natur auf umweltverträgliche Art und Weise nahezubringen. Jetzt arbeitet er daran im Dornumerland das erste Geo-Denkmal ausweisen zu können.
Frage: Wie kam es eigentlich, dass du Leiter des Nationalparkhauses wurdest?
Uilke van der Meer: Ja, da gab es zunächst ein paar andere Stationen. Ursprünglich habe ich Biologie und Chemie auf Lehramt studiert, aber damals herrschte die große Lehrerarbeitslosigkeit. Auf das naturwissenschaftliche Studium habe ich daher noch ein geistes- und sozialwissenschaftliches Studium draufgesattelt, bin also auch Soziologe oder Psychologe. Nach der Ausbildung habe ich zunächst als Sprachlehrer für das Goetheinstitut in München gearbeitet. Meine Aufgabe bestand darin Studenten mit Migrationshintergrund, die mit einem Fremdsprachen- oder Naturwissenschaftenstudium beginnen, bis zum Vordiplom zu betreuen. Später war ich in Hannover im Landesjugendschutz tätig. Als wir bereits zwei Kinder hatten, sollte ich Wohnheimleiter im Zentrumsbereich, in den zentralen Randbezirken Hannovers werden. Da haben wir dann den Entschluss gefasst wieder nach Ostfriesland zurückzukehren.
Frage: Bist du Ostfriese?
Uilke van der Meer: Nein, ich bin gebürtiger Westfriese und komme aus den Niederlanden. Ich fühle mich mit meiner Familie hier zuhause, sicherlich auch, weil Landschaft und Lebensraum dem niederländischen sehr ähneln.
Frage: Wie hast du die Entwicklung der Nationalparkeinrichtung erlebt?
Uilke van der Meer: Es ist jetzt 26 Jahre her, dass ich im Mai 1988 begonnen habe die Geschicke des Nationalparkhauses zu lenken. Anfänglich war das Gebäude ein Wohnhaus, dann Pizzeria, später stand es leer. Schließlich hat die Gemeinde es erworben, um ein Nationalparkhaus daraus zu entwickeln. Die Ausstellung begann mit zahlreichen Ehrenamtlichen. Seit wir 1992 zum B.U.N.D. kamen, ging es aufwärts. 1993 wurde das erste Bildungskonzept umgesetzt: Es gab ein Labor sowie einen eigenen Seminarbereich. Die Bundesstiftung Osnabrück hat uns finanziell tatkräftig unterstützt. Zu Weihnachten habe ich einen Bericht geschrieben, daraufhin erhielten wir spontan noch einmal 10.000 DM. Die Einrichtung lebt von diesem Engagement. Wir haben auch private Sponsoren, die heute bis zu 5.000 Euro spenden. Bei der letzten Ausstellungserweiterung mit Umbau wurden über eine Million Euro investiert: Man könnte sagen, es wurde ein neues Haus in die alte Hütte geschoben. Die Gemeinde hat, soweit es über den Bauhof möglich war, ganz viele Abbrucharbeiten selbst geleistet.
Frage: Was hebt deiner Meinung nach das Nationalparkhaus Dornumersiel von anderen Einrichtungen ab?
Uilke van der Meer: Wir haben als einziges Nationalparkhaus ein sogenanntes Umweltforum. Das ist ein Tagungshaus für u.a. Schüler und Studenten. Wir können dort mehrtägige bis einwöchige Bildungsveranstaltungen durchführen. Lehrerreferendare besuchen uns gern, um zu erleben, was sie später mit ihren Schülern unternehmen, z.B. Wattwanderungen nach Baltrum oder Norderney. Sie lernen einen Querschnitt vom Festland bis zu den Inseln kennen; man wandert über die Salzwiesen ins Watt, erreicht das Ostende von Norderney, die wilde Natur. Dort ist gewollte Dynamik pur. Die Insel wird an dieser Stelle bei Sturmfluten mehrfach durchbrochen und baut sich dann wieder neu auf. Es kommen auch Studenten, um ein mathematisches Model vom Wattenmeer nachzuvollziehen. Übrigens sind wir auch das erste Kindernationalparkhaus in Deutschland. Kinder und Jugendliche sehen den Animationsfilm „Traumschnecke“, sobald sie den Filmraum betreten. Er kommt ausgesprochen gut an bei den Kids, denn so wird das Thema „Natur erleben“ spielerisch zum Inhalt. Es geht darum Momente aufzunehmen, die sie für die anschließende Wattwanderung begeistern können oder aber sie vertiefen ihr Wissen nach der Exkursion. Groß und Klein lernt bei uns in Praxis und Theorie das Besondere im Kleinen und die Weite im Ganzen kennen, also die Intensität des Weltnaturerbes Wattenmeer.
Frage: Was gehört zu deinen Aufgaben als Leiter des Nationalparkhauses?
Uilke van der Meer: Meine Aufgaben sind es den Naturschutz darzustellen, mehr Verständnis und Akzeptanz für die wenigen Regeln zu gewinnen, die es einzuhalten gilt, und professioneller Bettler zu sein. Schließlich brauchen wir Mittel für das Haus, damit wir das Bestehende aufrecht erhalten und uns auch weiter entwickeln können. Bei unserem nächsten Projekt wird ein Gebiet erschlossen, um Wiesenbrütern wieder eine Chance zu geben. Es herrscht dringender Handlungsbedarf, da seit fünf bis sechs Jahren deren Brutvogelbestand zusammengebrochen ist. Zwischen Dornumersiel und Westeraccum sollen Flächen wieder so hergerichtet, bewirtschaftet und gepflegt werden, dass Wiesenbrüter die Möglichkeit erhalten mit Erfolg zu brüten. Gleichzeitig bietet dieser Standort im Winter einen potentiellen Rastplatz für die Seevögel. Auch Zugvögeln wird damit wieder die Gelegenheit geboten ins Binnenland zu wechseln und zu rasten. Windräder werden – wenn alle mitspielen – im Nahbereich Dornumersiels nach und nach zurückgebaut, konzentrieren sich stattdessen in einem zentralen Windpark. Da wird Dornum als Gemeinde Vorreiter sein können. Für dieses Vorhaben wird in nächster Zeit eine Naturschutzstiftung Dornum eingerichtet. Wenn weitere Landwirte mitmachen, können wir vielleicht auch bald das erste Geo-Denkmal hier an der Küste ausweisen. Denn es gibt in Westaccumersiel alte Deichlinienstrukturen; vor einigen Jahren befand sich dort ein idyllischer Hafen. Die Herausforderung besteht jetzt darin, dies anschaulich für die Besucher der Region und auch für die Hiesigen zu präsentieren.
Frage: Gibt es auch Stammgäste unter den Besuchern der Einrichtung?
Uilke van der Meer: Oh, ja, da gibt es zahlreiche Gäste, die immer wieder kommen, und uns sogar ein Buch oder Mikroskop zur Verfügung stellen. Aber da kann ich eine besonders rührige Geschichte über zwei Damen erzählen, die uns Geld für zwei Fahrräder spendeten. Vor 25, 26 Jahren, in meiner Anfangszeit, hatten wir zwei Fahrräder beantragt und es fehlten noch die dazugehörigen Eigenmittel. Die beiden Damen waren gerade in der Ausstellung und bekamen mit, dass es an Rädern mangelte. Sie boten mir an, das für den Kauf eigener Fahrräder gedachte Geld für die Einrichtung zu spenden, wenn ich ihnen im Gegenzug verspräche, dass wir ihnen jedes Mal, wenn sie hier Urlaub machen zwei Fahrräder von uns zur Verfügung stellen würden. Gesagt, getan, durch die beiden Fahrräder waren die beiden Damen an das Haus gebunden, kamen jedes Jahr wieder.
Frage: Waren die beiden Damen auch dieses Jahr hier?
Uilke van der Meer: Erst vor ein paar Wochen bin ich wieder draußen gewesen mit den inzwischen alten Damen. Wir haben gemeinsam die Küste von Neßmersiel bis Dammspolder beguckt und haben in der Fläche junge Kibitze sehen können und eine Rohrweihe flog vorbei. Die beiden haben ein richtiges Verständnis für den Küstenraum entwickelt. So haben wir diverse Besucher, inzwischen Senioren, die vorher anrufen bevor sie für vier Wochen und länger kommen, um Termine für beispielsweise Führungen abzustimmen. Da besteht oft eine große Bindung. Zur Silvesterwanderung kommen teilweise über 50 Personen, oft Ferienwohnungsbesitzer. Wenn man zusammenzählt wie viele Wochen und Monate diese Leute im Dornumerland ihren Urlaub verbringen, dann sind das mehrere Jahre ihres Lebens, die sie sich hier an der Küste aufhalten. Viele ziehen sogar im Ruhestand ganz hierher.
Frage: Wenn du einen Wunsch frei hättest, was würdest du dann gerne unternehmen, um den Naturschutz noch aktiver voranzutreiben?
Uilke van der Meer: Mir liegt besonders am Herzen, dass die Naturschutzregeln sowohl verständlich vermittelt als auch zu 120 Prozent eingehalten werden. Je mehr Gäste kommen, desto wichtiger ist es, dass alle die Regeln beachten. Die Touristen wollen Natur erkunden und erleben. Alle nutzen die Küste, die Landschaft, aber was hat die Natur davon? Wir müssen auch etwas für die Natur tun! Man könnte eine Naturabgabe einführen, vielleicht ein bisschen von der Kurtaxe abzwacken. Viele Gäste empfinden die Kurtaxe als etwas lästiges, weil sie nicht wissen wofür diese entrichtet wird. Wenn immer wieder glaubhaft positiv vermittelt würde, das diese für sinnvolle Dinge genutzt wird, wie z.B. für die Infrastruktur, viele Dienstleistungen, Strandreinigung, dafür, dass man Infrastrukturgebäude wie Duschen nutzen kann, und wenn auch das Wattenmeer durch die Abgabe profitieren würde, hätte die Kurtaxe mit Sicherheit eine bessere Akzeptanz. Gäste sind oft schockiert, wenn sie erfahren, dass nicht ein Cent für das Weltnaturerbe investiert wird.
Ihr habt Lust bekommen das Nationalpark-Haus mal zu besuchen. Dann schaut doch mal auf deren Webseite vorbei!