Wie wird man Gästeführer einer Windkraftanlage?
Mirko: (lacht) Also, ich bin angesprochen worden, ob ich das machen will. Da hab’ ich natürlich „ja“ gesagt. Ich mache das ja nebenberuflich. Ich arbeite bei der Enercon GmbH im Schichtdienst. Die Firma sitzt in Aurich und ist der größte deutsche Hersteller von Windkraftanlagen.
Erzählst du uns etwas über die Anlage?
Mirko: Gerne! „Meine“ Anlage ist vom Typ E-66 und steht mit 34 „Schwestern“ hier im Windpark Holtriem. Das E steht für Enercon, die Zahl 66 ist die Zahl für den kompletten Rotordurchmesser. Ein Flügel misst 30 m, das Kopfstück bis zur Mitte sind noch mal 3 m, also insgesamt 66 m. Die Maximalleistung beträgt 1,5 Megawatt pro Stunde, wenn die Anlage auf Volllast läuft. Die erreicht sie bei Windstärke 3. Danach dreht sie langsam die Rotorblätter aus dem Wind, so dass sie immer auf 22 Umdrehungen pro Minute bleibt und die 1,5 Megawatt produziert.
Die Anlage schaltet aber auch irgendwann mal ab, oder?
Mirko: Ja, die Abschaltgeschwindigkeit liegt bei Windstärke 10. Da schaukelt die Anlage bis zu einem Meter hin und her. 50 cm rechts, 50 cm links. Deshalb gehe ich mit Besuchern nur bis Windstärke 3.
Zum Glück ist die Aussichtsplattform verglast!
Mirko: Ja, da kann einem ganz schön die steife Brise um die Ohren wehen! (lacht) Die Plattform befindet sich in 65 m Höhe direkt unter dem Rotorkopf und erinnert ein bisschen an einen Flughafen-Tower. Übrigens wurde sie von Sir Norman Foster entworfen. Auf der Plattform haben wir auch ein paar Info-Tafeln.
Seit wann gibt es hier Führungen?
Mirko: Die gibt es seit 1998. Die ersten Jahre war es eine reine Betriebsanlage. Ich bin jetzt seit 10 Jahren hier. Insgesamt gibt es ja nur zwei begehbare Anlagen in Deutschland. Eine in Aachen und meine.
Die Führungen werden über die Dornumer Tourismus GmbH organisiert. Das habe ich Geschäftsführer Rolf Kopper zu verdanken, der die Anlage besichtigt hat und über einen Kontakt bei Enercon das Ganze hier ins Laufen gebracht hat. Die Resonanz ist toll, mittlerweile habe ich samstags und sonntags jeweils sechs Führungen, in der Saison sogar noch mehr. Maximal 12 Gäste bilden eine Gruppe.
Was kann man an klaren Tagen sehen?
Mirko: Alle Ostfriesischen Inseln, Wilhelmshaven, vom Emder Hafen bis zum Kohlekraftwerk in Eemshaven in Holland.
Wer kommt denn so zu dir?
Mirko: Das ist ganz unterschiedlich. Ich habe viele Schulklassen, Familien und gemischte Gruppen. Das sind mehr als 2.000 Besucher pro Jahr. Vor allem Kinder sind fasziniert von der Technik, da sie es in der Schule durchnehmen. Deshalb wollen sie das dann auch in Natura sehen. Alle sind total begeistert – vom Aufstieg, den Informationen und natürlich von der Aussicht! Es ist immer wieder schön, wenn ich ein Strahlen in die Augen der Teilnehmer bringen kann. Eine Familie war innerhalb von vier Wochen zwei Mal oben. Nach dem ersten Mal sagten sie, wir kommen wieder. Dadurch wird meine Arbeit auch belohnt.
Schaffen alle den Aufstieg bis zur Plattform?
Mirko: In fast jeder Gruppe gibt es Teilnehmer, die es nicht schaffen. Nach 30 m kommt der Knackpunkt, da drehen einige tatsächlich wieder um.
Gibt es Führungen, die euch besonders im Gedächtnis geblieben sind?
Mirko: Jede Führung ist anders, da es immer wieder andere Leute sind. Aber auch viele Stammgäste kommen immer wieder. Ich hatte sogar mal ein Hochzeits-Fotoshooting oben auf der Plattform. Die Braut ist auf Stöckelschuhen und in langem Kleid nach oben gelaufen. (lacht) Einmal kam eine Familie mit zwei kleinen Kindern. Auf halber Strecke wollten die Kinder nicht mehr, da hat Papa die beiden einzeln nach oben getragen. Er war anschließend fix und fertig.
Ein Herr kam alle vier bis sechs Wochen und – du wirst es nicht glauben – immer mit einer anderen Frau. Der hat nie gezeigt, dass er mich bereits kannte und war sehr zurückhaltend. (schmunzelt) Ich aber auch …
Am besten aber sind die Motorradclubs – die kommen auf ihren dicken Maschinen angefahren und drehen dann in der Anlage nach 11 m Aufstieg wieder um. Mit den dicken Motorradjacken kommen die ganz schön ins Schwitzen. Die stehen dann unten und müssen erst mal wieder zu Atem kommen …
Es gibt aber auch viele erstaunliche Leistungen, vor allem von Senioren. Die sind oft total fit und hängen die Jüngeren locker ab!
Das Fernsehen hat übrigens auch schon oben gedreht, für NDR und 3sat. Was für ein Aufwand! Da klettert man zwei Stunden lang immer rauf und runter für drei Minuten Film. Hut ab!
Der Aufstieg ist nur nach Anmeldung möglich?
Mirko: Ja, Interessenten müssen sich bei der Tourist-Info anmelden, am besten ein bis zwei Wochen vor dem Wunschtermin, nur dann kann ich eine Führung machen.
Joanna Janicki says:
Ich war auch schon da. Der Aufstieg ist nicht so schlimm, wie man denkt. Es spornt einen an, der Gedanke an die spannende Aussicht von oben auf das weite flache Land. Am besten fand ich das sanfte Schaukeln – es schaukelt nämlich auch bei leichter Brise – und die riesigen Rotorenblätter, die rauschend alle paar Sekunden vor der Aussichtsplattform vorbeirauschten.
Ich komme bestimmt wieder!