Bernhardine Samuele Westing (geb. Jordan), geboren am 03.11.1794 in Minden, heiratete im Jahre 1825 den 26 Jahre älteren Oldenburger Oberapellationsrat Anton Gerhard Westing. Dieser wurde 1829 vom Großherzog Paul Friedrich August zum Badekommissar der Insel Wangerooge ernannt. Im Gegensatz zu seiner Frau konnte Westing dieser Aufgabe wenig Begeisterung abgewinnen.
Bernhardine Westing wurde nachgesagt, die Gäste mit der „Grazie eines tiefen Kompliments“ empfangen zu haben. Hierzu trug insbesondere der zur Begrüßung singende und musizierende Musikkorps der Badeanstalt bei. Während sich nun der „Geheime Hofrat“ Westing der inneren Verwaltung des Bades widmete, engagierte sich seine Frau schon ab 1829 leidenschaftlich für die Badeanstalt.
1830 reist Bernhardine Westing bereits zwei Wochen eher als ihr Mann in Begleitung von ihrem Dienstpersonal nach Wangerooge. Darunter sind neben Küchenhilfen auch mehrere Gärtner, welche neue Anlagen um das Konversationshaus schaffen sollten. Schon bald erfreuten sich Gäste und Insulaner gleichermaßen an der attraktiveren Gestaltung rund um die Badeanstalt. Drinnen wie draußen gab es eine Umgestaltung. Eine Neumöblierung des Logierhauses und der zahlreichen Säle fand statt. Im Laufe der Jahre wurde – einhergehend mit der steigenden Gästeanzahl – auch ein Ausbau der Häuser bzw. eine Vergrößerung des Zimmerkontingents auch bei Insulanern vorgenommen.
Während der Badesaison sorgte Bernhardine Westing zusätzlich für ein vielfältiges Unterhaltungsangebot. Zu den Häusern, welche lediglich Logiermöglichkeiten boten, gesellten sich als bald ein Park mit Pavillons, ein großes Warmbadehaus, eine Kegelbahn sowie ein Lesezimmer. Am Strand wurden 40 Badekutschen eingerichtet. Auch Veranstaltungen durften nicht fehlen. So wurde gleich mehrmals die Woche der große Saal für einen Tanzabend geöffnet. Hinzu kamen Konzerte mit ständig wechselnden Künstlern, Illuminationen und Feuerwerke in den Anlagen, als auch Exkursionen z.B. zur blauen Balge oder zu den Sandgletschern der Wangerooger Schweiz. Bernhardine Westing soll sich persönlich vergewissert haben, ob alle Gäste angemessen untergebracht wurden. Insbesondere galt dies für die Zimmer in den Wohnungen der Insulaner, welche sie regelmäßig auf Mängel achtend inspizierte. Auch die Zimmerpreise wurden von ihr nicht zu hoch festgelegt. Der „Scharfblick eines Hotelbesitzers“ wurde ihr zugesagt.
Neben alledem war Frau „Geheime Hofrätin“, wie sie schon bald genannt wurde, eine gute Köchin und Küchenchefin. 1849 veröffentlichte sie bei der Schulzeschen Buchhandlung in Oldenburg das Kochbuch „Die Wangerooger Küche“. Aufgrund der Beliebtheit des Buches kam 1857 sogar die zweite Auflage mit mehr Rezepten heraus.
Bezüglich des alltäglichen Lebens in der Badeanstalt kann man über Bernhardine Westing sagen, dass sie viel Wert darauf legte eine große Familie in der Anstalt zu bilden. Dies äußerte sich insbesondere in den gemeinsamen Essensrunden. Vor allem unter den Insulanern hatte sie sich im Laufe der Zeit den Ruf erworben, gleichzeitig eine liebenswürdige und gewandte Dame zu sein, aber auf der anderen Seite auch den eigentlichen „Vorstand der Badeanstalt“ zu bilden.
Jedenfalls wurde vor allem Bernhardine Westing nach dem altersbedingten Ausscheiden von sich und ihrem Mann aus dem Amt im Jahre 1853 schmerzlich von den Insulanern wie auch Badegästen vermisst. Der Ruf des neu gestalteten Seebades Wangerooge jedoch blieb und so galt es weiterhin als eines der gemütlichsten Seebäder Europas. Insgesamt soll während der „Ära Westing“ eine große Zufriedenheit auf der Insel geherrscht haben und man muss zwangsläufig feststellen, dass Bernhardine Westing daran den größten Anteil gehabt hatte. Sie starb fast zwanzig Jahre nach ihrem Mann am 24.09.1874 in Bremen.
Bild: Fotografische Reproduktion aus folgendem Buch: Hannesen, Franz Robert: Harm. Eine Erzählung aus Wangerooger Vergangenheit. Bilder von Johan Graffman, Oldenburg, 1905, S. 120/121. Original um 1830.