Wie wurdest du Wattführerin?
Jessica Supthut: Tja, das fing mit der Liebe zu einem Wattführer an. Ich komme ursprünglich aus Rothenburg an der Wümme. Nach meiner Ausbildung zur Heilerziehungspflegerin bin ich nach Verden gezogen und habe dort zwei Jahre in meinem Beruf gearbeitet. Übers Internet habe ich Tammo kennengelernt. Er ist in Neßmersiel als Wattführer tätig. Wir haben uns dann lange Zeit nur über Emails ausgetauscht. 2008 bin ich das erste Mal nach Neßmersiel gefahren, um ihn hier zu besuchen. Vorher war ich übrigens noch nie in Ostfriesland. Es hat gleich geknallt zwischen uns. Und da mein Job eh auslief, habe ich in Verden alles aufgegeben und bin hierhergezogen. Mittlerweile haben wir einen gemeinsamen Sohn.
Tja, so bin ich hierhergekommen und hiergeblieben (lacht). Das erste Jahr war ganz schön hart. In Verden war immer etwas los und ich konnte so viel unternehme. Hier war auf einmal alles so still. Vor allem im Winter. Ich habe mir Hobbies gesucht und bin irgendwann mit Tammo wattwandern gegangen. Da habe ich meine Liebe für das Wattenmeer entdeckt. Ich wusste sofort: Das will ich auch machen!
Heute bist du staatlich geprüfte Wattführerin. Welche Anforderungen musstest du dafür erfüllen?
Jessica Supthut: Man meldet sich zur Prüfung an und bekommt viel Infomaterial und den Prüfungstermin. Den Stoff muss man sich selbst aneignen. Es sind 15 Prüfungsgebiete, die man lernen muss, wie zum Beispiel Kompasskunde, Kartenkunde, Wetterkunde, Navigation, Seezeichen, Sicherheit, 1. Hilfe und natürlich alles über die Tier- und Pflanzenwelt. Die mündliche Prüfung vor der fünfköpfigen Prüfungskommission dauerte drei Stunden. Nach bestandener Prüfung muss man die Strecken, die man gerne als Wattführer laufen möchte, beantragen. Ich mache die Strecken Neßmersiel – Baltrum und Bensersiel – Baltrum.
Wie viele Wattführungen hast du bereits gemacht?
Jessica Supthut: Oh, viele! Seit 2010 laufe ich, das sind so ca. 100 Führungen im Jahr.
Man sagt, dass Watt verändert sich ständig?
Jessica Supthut: Ja, das ist tatsächlich so. Letztes Jahr war das Watt nach Baltrum noch sehr fest. Man lief wie auf festem Sandboden. Dieses Jahr ist es total verschlickt, es sind Löcher aufgetaucht, wo vorher keine waren. Die Priele verändern das Watt, je nachdem wie stark die Stürme im Winter waren und wieviel Sediment angespült wird. Ich denke, dass in diesem Jahr ziemlich viel Sediment aus der Elbe angespült wurde.
Wie kommt das?
Jessica Supthut: Dort wird wieder gebaggert, weil die Elbe vertieft wird. Auch wenn in den Offshore-Windparks neue Anlagen gebaut werden, merken wir das hier sofort, weil dann wieder neuer Schlick hier an der Küste angespült wird. In diesem Jahr sind auch viel mehr Muscheln angespült worden: Herzmuscheln, Miesmuscheln und Austern. Woran das liegt, weiß ich nicht, denn eigentlich hatten wir im letzten Winter keine extremen Stürme. Zumindest darf jetzt bei den Familienwattwanderungen keiner mehr barfuß laufen.
Was empfiehlst du stattdessen?
Jessica Supthut: Socken. Zwei paar Tennissocken für die große Wattwanderung nach Baltrum und ein Paar Tennissocken für die Familienwattwanderung.
Wie sieht es mit alten Turnschuhen aus?
Jessica Supthut: Alte Turnschuhe gehen auch, aber wenn man in die weichen Wattbereiche kommt, saugen sich die Sohlen im Schlick fest. Das Laufen ist dann viel anstrengender, und es kann passieren, dass man die Schuhe verliert. Es gibt auch die Beachies, das sind Strand- oder Wattsocken, die man hier im Supermarkt kaufen kann. Damit ist man optimal geschützt und kann auch über Austernbänke laufen. Aber wir gehen ja grundsätzlich nie über Austernbänke. Da haben wir zu viel Angst, dass jemand dort hinfällt und sich an den scharfen Kanten der Austern verletzt.
Läuft man bei der Familienwattwanderung auch zur Insel?
Jessica Supthut: Nein, die Wattwanderung bleibt im küstennahen Bereich und ist für Familien mit Kindern unter 8 Jahren gedacht. Die Wanderungen vom Festland zur Insel sind nämlich für Kindern unter 8 Jahre nicht erlaubt.
Die Auster lebt doch eigentlich im Nordpazifik. Wie kommt es, dass die sich mittlerweile bei uns in der Nordsee tummelt?
Jessica Supthut: Ja, die Auster ist eine große Plage in der Nordsee. Sie wurden vor rund 20 Jahren bei uns eingeschleppt, weil man vor Sylt Austernbänke errichtet hat, um die zu verkaufen. Natürlich sind dann Larven der Austern entkommen. Eine Auster wird 44 Jahre alt und legt nach 2 – 4 Jahren rund 14 Millionen Eier im Jahr, 95 – 98 % der Larven werden sofort von Fischen gefressen, der Rest siedelt sich an. Man hat das damals unterschätzt und gedacht, dass in unseren kalten Wintern die Austern kaputt gehen. Kälte mögen die nämlich nicht. Aber die Klimaerwärmung hat uns einen Strich durch die Rechnung gemacht. Die Nordsee ist in den vergangenen 50 Jahren 1,8 Grad wärmer geworden. Das sind nun mittlerweile perfekte Bedingungen für die Austern. Die benötigen eine Wassertemperatur von 21 Grad. Das ist im Watt mittlerweile so oft gegeben, selbst im Frühjahr bei einer Lufttemperatur von 15 – 16 Grad. Denn wenn das Wasser sich zurückzieht, dann heizen sich die Watt– und restlichen Wasserflächen auf. Und da haben wir im März manchmal nur durch die Sonne Temperaturen von 22 – 23 Grad. Perfekt für die Auster! Also, die bekommt man hier nicht mehr weg. Vielleicht wenn wir ein halbes Jahr lang einen kräftigen Winter haben. Aber sie würden sofort wiederkommen, weil sie weitergezüchtet werden.
(Lacht) Ich sag den Leuten immer: “Ihr dürft gerne alle Austern, die ihr findet, mitnehmen. Wir brauchen sie hier nicht!“
Und dann? Schlürfen die die Austern an Ort und Stelle aus? Die werden doch roh gegessen, oder?
Jessica Supthut: In den Monaten mit „r“ kann man die essen. Dann gibt’s auch einige bei den Wattwanderungen, die holen die Austern aus der Schale und essen die dann (lacht). Die Kinder stehen dann da und ekeln sich immer. Ja, die Austern werden roh gegessen. Ich habe mal eine in den Backofen geschoben, und mit Käse und Knoblauch überbacken. Das war eigentlich ganz gut, die hat dann so eine pilzartige Konsistenz.
Warum sind die Austern so schädlich für unsere heimischen Miesmuscheln?
Jessica Supthut: Die Austern überwuchern die Miesmuschelbänke. Wenn unsere heimischen Miesmuscheln das Wasser filtern, um an verwertbare Nährstoffe zu kommen, sprudeln sie das weiche Sediment weg, und es entsteht dieser feste Sand/Wattboden. Austern brauchen einen festen Untergrund im Watt. Und den haben sie auf den Miesmuschelbänken gefunden. Die docken sozusagen an die Miesmuscheln an. Die Miesmuscheln ersticken dann und verenden. Es gibt deshalb einen großen Miesmuschelschwund. Aber seit 2 Jahren wird beobachtet, dass beide Muscheln eine Symbiose miteinander eingehen: Vögel fressen ja die Muscheln. Sie meiden aber die Austern, weil diese sehr scharfe Kanten haben, an denen sie sich böse verletzen. Die Miesmuscheln haben mittlerweile gelernt, dass sie ihre Larven vor den Vögeln schützen können, wenn sie diese zwischen den scharfen Kanten der Austern festsetzen. So können diese sicher heranwachsen. Die Austern hingegen profitieren davon, weil der Boden festbleibt.
Wie ist das eigentlich mit Ebbe und Flut? Das wirst du deinen Wattwanderern doch sicher auch erläutern müssen?
Jessica Supthut: Oh ja, es fragen viele, wie das funktioniert. Ausgelöst wird das durch die Anziehungskraft des Mondes. Zudem dreht sich die Erde selbst. Beides zusammen lässt das Wasser in den Weltmeeren wie in einem großen Eimer hin- und herschwappen. Man kann sich das so vorstellen: Der Mond dreht sich um die Erde, dabei zieht er die Wassermaßen mit, es gibt einen Flutberg. Dahinter herrscht Ebbe. Aber das ist nur ein Flutberg. Wir haben ja zweimal täglich Flut und Ebbe. Der zweite Flutberg entsteht durch die Eigenrotation der Erde. Und auch die Sonne wirkt noch mit, die eine Anziehungskraft von 30 % hat. Die zieht auch an den Gezeiten. Durch diese Fliehkraft entsteht ein zweiter Flutberg. Das ist bei uns im Abstand von sechs Stunden und 12,5 Minuten.
Gibt es Ebbe und Flut so ausgeprägt nur bei uns?
Jessica Supthut: Wir haben überall auf der Welt Ebbe und Flut, aber je nach regionalen Gegebenheiten unterschiedlich ausgeprägt. In der Ostsee beträgt der Unterschied zwischen Ebbe und Flut nur 15 cm. Das nimmt man nicht wahr. Wir haben hier an der Nordsee so ausgeprägte Gezeiten, weil wir eine direkte Verbindung zum Atlantik haben. Dadurch ist viel mehr Bewegung im Wasser und es zieht sich so weit zurück, gut 4 km sind das. Unser Tidenhub, das ist der Unterschied zwischen Hoch- und Niedrigwasser, beträgt hier 2, 50 Meter. In Nordfriesland sind es sogar 3,50 Meter. In Holland nur 1,50 Meter. Den größten Tidenhub haben wir in der Bay of Fundy in Kanada. Da sind es 21 Meter. Da werden bei Ebbe alle Felsformationen freigelegt. Da zieht sich das Wasser nicht in der Weite zurück, sondern in der Tiefe.
Warum unterschätzen viele Menschen die Gefahren im Watt?
Jessica Supthut: Es ist ein Trugschluss zu glauben, man kann gegen das aufkommende Wasser anlaufen. Wir erleben das hier in Neßmersiel sehr oft, dass die Gäste ohne ausgebildeten Wattführer rüber zu den Inseln laufen. Bei den Familienwattwanderungen gehe ich immer los, wenn das Wasser den niedrigsten Stand hat. Nach 1 – 1,5 Stunden frage ich die Gäste dann: „So jetzt sind wir hier schon gut 1 Stunde gelaufen, was fällt euch auf? Was seht ihr?“ Dann antworten sie: „Muscheln, Algen, Schlick, dreckige Füße…“. Aber selten sagt jemand: „Ich sehe das Wasser kommen“. Die Gäste achten nicht mehr darauf, wenn sie im Watt sind. Die vergessen total alles um sich herum. Und wenn ich dann sage: „Das Wasser kommt“, dann werden die Augen groß. Für viele ist das erschreckend, weil sie das auflaufende Wasser nicht wahrgenommen haben.
Mein erschreckendstes Erlebnis war eine fünfköpfige Familie, die an meiner Gruppe vorbeigelaufen ist und mich nach dem Weg nach Norderney fragte. Die waren viel zu spät losgelaufen, wir hatten bereits auflaufendes Wasser. Aber das wollten die partout nicht einsehen. Es gab einen heftigen Wortwechsel zwischen uns, bis ich ihnen sagte, dass ich einen Notruf beim Seenotrettungsdienst absetzen werde, wenn sie nicht zum Festland zurückkehren. Da endlich sind sie umgedreht. Das kommt öfters vor. Das noch nichts Schlimmeres passiert ist, ist ein Wunder.
Also heißt es niemals eine Wattwanderung zur Insel ohne erfahrenen Wattführer?
Jessica Supthut: Genau, wenn man im küstennahen Bereich bleibt, kann man sich alleine im Watt aufhalten. Aber zur Insel bitte nur mit Wattführer. Viele Gäste laufen auch hinter den Wandergruppen her. Davor raten wir dringend ab, weil die Gefahr von Seenebel im Wattenmeer immer gegeben ist. Wenn die Wattflächen sich aufheizen und die Luft etwas kühler wird, entsteht der Seenebel. Man sieht die Hand vor Augen nicht. Wir haben für den Fall Rettungsleinen im Gepäck, an denen sich die Gruppe festhalten muss. Mit Kompass und GPS führen wir unsere Gruppe dann sicher rüber. Aber die Leute ohne feste Gruppe irren orientierungslos im Watt umher. Wir hören sie zwar rufen, aber wir finden sie nicht. Außerdem sind wir verpflichtet, bei unserer Gruppe zu bleiben, sonst würden wir diese in Gefahr bringen.
Menschen mit Herz- und Kreislaufproblemen dürfen keine Wattwanderungen zu den Inseln machen. Was ist so schwierig an den Wanderungen, wenn man bedenkt, dass es vom Festland bis zur Insel nur 7 km sind.
Jessica Supthut: Das ungewohnte Laufen. Man läuft nicht über Asphalt, sondern über einen wellenartigen Meeresboden. Erst ist er schlickig, und dann wird er mal weicher und mal fester. Und dann sind da die wellenartigen Rippelmarken, die vom Wasser geformt werden. Man läuft schwankend. Die Füße saugen sich in den weicheren Bereichen fest. Dann ist der ganze Körper im Einsatz. Beim Wattwandern wird wirklich jeder Muskel beansprucht.
Also ist eine Wattwanderung nicht nur ein wunderbares Naturerlebnis, sondern zugleich ein tolles Fitnesstraining?
Jessica Supthut: Ja. Wattwandern ist vergleichbar mit einer mittleren Bergwanderung, nur das man sich anders bewegt und die Füße danach auch etwas weh tun.
Sind die Familienwattwanderungen auch so anstrengend?
Jessica Supthut: Nein, da ist es nicht das ungewohnte Laufen, sondern eher das Zuhören müssen für die Kinder. Die Kids muss man begeistern können und das Thema Wattenmeer spannend verpacken, sonst langweilen die sich schnell. Im Matsch toben und spielen ist ja viel interessanter.
Bei den unter Dreijährigen sag ich den Eltern schon im Vorfeld, dass ihre Sprösslinge nach 1 Stunde und 15 min einschlafen werden. Die sind dann einfach fix und fertig und müssen auf Papas Arm nach Hause getragen werden. (lacht). Viele Eltern nutzen das aus. Deswegen laufen unsere Sonnenuntergangswanderungen auch so gut. Da laufen viele Familien mit. Die Kinder sind dann so müde, dass sie – zurück im Ferienhaus – direkt ins Bett gebracht werden können. Die Eltern haben dann einen entspannten Abend für sich allein.
Das Wattenmeer ist nicht nur faszinierend, sondern auch ein sehr sensibles Ökosystem. Warum?
Jessica Supthut: Es ist alles vernetzt. Die Tiere, die Pflanzen – jeder braucht den anderen. Stirbt etwas weg, dann stirbt das nächste auch. Das kann man bei der Wellhornschnecke beobachten. Sie ist vom Aussterben bedroht, weil seit den 80er Jahren giftige Schiffsanstriche verwendet werden. Die Schadstoffe gelangen ins Wasser, das wiederum die Schnecken filtern. Dadurch setzt bei denen eine Hormonveränderung ein. Die machen eine Geschlechtsumwandlung durch. Die Weibchen werden zu Männchen. Mittlerweile versucht man die Wellhornschnecken wieder zu züchten um sie in die Nordsee auszusetzen, aber es ist schwierig, weil die Wellhornschnecke schon immer starken Schwankungen unterworfen war. Wenn die Wellhornschnecke ausstirbt, gibt es keine Gehäuse mehr. In denen siedelt der Einsiedlerkrebs. Die sind von Mutter Natur nur im vorderen Bereich mit einem schützenden Panzer ausgestattet worden. Das Hinterteil ist weich und wird im Gehäuse der Schnecke versteckt. So verschwinden dann auch die Krebse, da sie somit eine leichte Beute für die Vögel sind. Das immer wärmer werdende Nordseewasser bewirkt auch einen höheren Parasitenbefall bei den Tieren und eine deutliche Zunahme der Algenblüte. Mittlerweile haben wir im April schon Algenblüten, normalerweise treten die erst im August auf. Und nicht zuletzt schädigt auch die Umwelt unser Watt durch Müll und Plastik. Es ist sehr viel Mikroplastik im Sand, weil das mehr und mehr reingespült wird. Pro Tag frisst z. B. der Wattwurm 15 Gramm Sand – inklusive der darin enthaltenen Mikroplastikteilchen. Wattwürmer sind für das Ökosystem Wattenmeer sehr wichtig: Sie graben den Wattboden um und durchlüften ihn dadurch. Gleichzeitig verwerten sie die organische Materie, die das Meer ins Watt bringt, und machen die darin enthaltene Energie für das Ökosystem verfügbar. Das Mikroplastik aber ist unverdaulich und nimmt im Verdauungstrakt den Platz für richtige Nahrung weg, bleibt sogar länger darin als normal. Das Tier nimmt also wahr, dass es satt ist, obwohl es eigentlich weiter fressen sollte. Wattwürmer sind wiederum Nahrung für viele andere Tiere. Wenn sich Schadstoffe in Wattwürmern anreichern, ist bald die gesamte Nahrungskette betroffen.
Und wie reagieren die Urlaubsgäste darauf?
Jessica Supthut: „Wo ist das Zeug denn drin?“ das fragen alle. Ich sag dann: in Zahnpasta, Duschgel, Peelings, alle Kosmetika … Wo „poly“ draufsteht, ist Plastik drin. Im Fisch ist Mikroplastik und in uns auch, da wir am Ende der Nahrungskette stehen. Zu den Kindern sage ich: Achtet auf den Müll am Wegesrand und wenn ihr welchen findet, hebt ihn auf und schmeißt ihn in die Mülltonne. Die Kinder kann man dafür noch begeistern.
Du bietest auch Winterwattwanderungen an. Was ist das Besondere an diesen Wanderungen, außer dass es draußen viel kälter ist, und man sich warm anziehen muss.
Jessica Supthut: Die Winterwattwanderungen sind anders. Ich lege andere Schwerpunkte, da es in dieser Jahreszeit keine Pflanzen gibt. Auch Fische, Wattwurm und Muscheln ziehen sich vor der Kälte ins tiefere Meer zurück. Deshalb gehe ich im Winter mehr auf die ostfriesische Kultur und Geschichte ein, auf Inselentstehung, Sturmfluten, Teezeremonie etc.
Wann ist es für dich am schönsten im Watt?
Jessica Supthut: Im Frühjahr. Dann erwacht alles wieder zum Leben. Die Tiere kommen zurück, sie fangen an, sich fortzupflanzen. Man kann die Eiballen vom Seeringelwurm finden und die ganz kleinen Baby-Strandkrabben. Man findet auch viel mehr Muscheln und Schnecken und Bernstein im Watt.
Bernstein bei uns an der Nordsee?
Jessica Supthut: Ja, ab und zu findet man ihn auch bei uns im Watt. Das ist dann allerdings ein Glücksgriff. Viele Kinder fragen mich, ob es Bernstein gibt. Wenn die Bernstein finden, sind sie total begeistert.
Was ist bei einer Wattwanderung mit Hund zu beachten?
Jessica Supthut: Unbedingt eine alte Hundeleine mitnehmen, da das Salzwasser das Leder stark angreift. Auch Trinkwasser für den Hund muss mitgenommen werden. Wenn die Hunde das Salzwasser trinken, bekommen sie Durchfall. Hingegen ist ein Pfotenschutz nicht nötig.
Jessica, wir danken dir für das informative Gespräch. Zum Abschluss noch eine Frage: Wie würdest du Neßmersiel in einem Satz beschreiben?
Jessica Supthut: Neßmersiel ist für mich Heimat! Das habe ich auch gemerkt als ich hierhergezogen bin. Ich bin angekommen. Ich war vorher immer rastlos. Wenn ich im Watt bin, dann bin ich still. Dann ist für mich alles drumherum vergessen. „Ihr lasst den Alltag jetzt am Festland“, sag ich den Gästen deshalb vor einer Wattwanderung.